Du bist Mensch - nicht Bestandteil Deines Unternehmens
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Du bist Mensch - nicht Bestandteil Deines Unternehmens

Aktualisiert: 19. März 2022


Unternehmerin im Park aber trotzdem gedanklich bei der Firma. Mentale Gesundheit durch Dauerbelastung gefährtet
Unternehmerin in Gedanken bei Ihrer Firma

Selbstständigkeit und Unternehmertum sind sehr erfüllend. Was passieren kann, wenn man alles andere im Leben vergisst und gefühlt mit der Unternehmensidentität verschmilzt, erfährst du jetzt.


Bernd hat die Geschäftsidee. Er hat ein Produkt entwickelt, auf das die Welt gewartet hat. Er gründet seine eigene Firma, um dieses Produkt zu verkaufen und damit so richtig erfolgreich zu werden. Sabine war lange Zeit angestellt. Sie beherrscht ihren Job und hat über die Jahre immer mehr Wissen angesammelt. „Das, was mein Chef kann, das kann ich auch. Und zwar besser. Ich mache mich selbstständig und werde mein eigener Chef.“ Auch sie gründet ihr eigenes Unternehmen.


Bei beiden laufen die Geschäfte gut. In den ersten Jahren, in denen es darum geht, sich am Markt zu positionieren und zu etablieren, setzen sie sich voll für „ihr“ Baby, ihre Firma ein. Das Ganze soll schließlich erfolgreich werden und vielleicht haben sie auch ein Darlehen aufgenommen, das abbezahlt werden muss. Es gibt viel zu tun und so packen sie es an. Sie schauen nicht auf die Uhr, sie gehen die „Extra-Meile“ und arbeiten jede Woche zwischen 80 – 100 Stunden. Die Wochenenden werden zur Vorbereitung der neuen Woche genutzt, zur Aufarbeitung der Buchhaltung und wenn es gut geht, dann bleibt noch ein wenig Zeit zur Erholung.


Da die beiden hauptsächlich arbeiten, schrumpft ihr Freundeskreis. Wenn Bernd mit seinen alten Kumpels über das Verhalten seiner Mitarbeiter spricht, das ihn stört, hört er Aussagen wie: „Du bist wohl ein knallharter Arbeitgeber geworden? Du hast Dich ganz schön verändert. Früher warst Du echt lockerer…“ Nach der dritten Absage „keine Zeit“ fragen viele Freunde von Sabine nicht mehr, der Kontakt schläft ein. Für eine Beziehung bleibt keine Zeit – der Partner, der zu Beginn der Selbständigkeit da war, hat das Weite gesucht. „Du bist doch eh nur mit Deiner Firma verheiratet!“, diesen Vorwurf hat Bernd von seiner Frau etliche Male gehört. Doch was sollte er tun? Die Firma braucht ihn eben und ohne ihn geht es nicht. Das Fehlen des Freundeskreises und auch eine Beziehung kompensieren die beiden durch Erfolgserlebnisse in der Firma. Sabine freut sich über ein „Du bist eine tolle Chefin, ich arbeite gerne bei Dir.“ fast schon so wie früher über ein „Ich liebe Dich“ Ihres Partners. Die Feier eines erfolgreich abgeschlossenen Projekts mit den Mitarbeitern ersetzt bei Bernd das Zusammensein mit Freunden.


Sabine hat alle Hände voll zu tun, die Firma läuft gut, es kommen immer wieder neue Anfragen und Kunden. Inzwischen hat sie schon etliche Mitarbeiter eingestellt. Doch irgendwie wird die Arbeit nicht weniger. Jetzt kommt noch der Ärger mit den Mitarbeitern dazu: Die wissen doch genau, was zu tun ist. Und trotzdem passieren immer wieder Fehler, die Sabine mit Mühe und Not ausbaden muss. Projekte, die nicht so durchgeführt werden, wie sie sollen und schließlich die Krankheitszeiten und Vertretungsregelungen, um die sie sich kümmern soll. Wenn Sie abends im Büro als Letzte im Büro sitzt und die Arbeitszeiten der Mitarbeiter kontrolliert, fragt sie sich, ob das wirklich das Leben ist, so wie sie es sich vorgestellt hat. Bevor sie den Computer herunterfährt, checkt sie noch ein letztes Mal ihre mails und findet die Stornierung eines wichtigen Auftrags. „Ich bin eben doch nicht gut genug, das hätte ich gleich wissen sollen“, denkt sie und schon steigen ihr Tränen in die Augen.

Gesundheit und Ausgleich kommen für den Unternehmer zu kurz. Seine mentale Gesundheit ist gefährdet.

Seit der Gründung seiner Firma hat Bernd schon einige Kilos zugenommen. Als er zuletzt wegen seiner ständigen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit beim Arzt war, hat der über seinen hohen Blutdruck gemeckert und ihm geraten, dringend Sport zu machen und abzunehmen. Doch dafür bleibt einfach keine Zeit. Wenn er abends um 21 Uhr aus der Firma kommt, dann reicht es gerade noch für eine Tiefkühlpizza, ein Feierabend-Bier und ein paar Folgen seiner Lieblingsserie auf Netflix. Früher ging er gerne wandern und hat ein einmal pro Woche Basketball gespielt. „Ja, Urlaub, das wäre es überhaupt. Mal wieder Zeit haben und Sport machen. Doch wenn ich nicht da bin, dann läuft der Laden nicht. Außerdem habe ich einen wichtigen Kunden an der Angel – wenn ich den nicht bekomme, wird das mit dem Kredit in diesem Monat schwierig. Und er will unbedingt mich persönlich in dem Projekt sehen.“


Irgendwie hatten die beiden sich das mit der Selbständigkeit und damit, der eigene Chef zu sein, anders vorgestellt. Selbst entscheiden können, was ich arbeite, wann und mit wem. So war das geplant. Jetzt sind sie im Hamsterrad gefangen, arbeiten rund um die Uhr und verbringen einen Hauptteil ihrer Zeit mit Tätigkeiten oder Kunden, auf die sie gar keine Lust haben. Und doch zwingt sie der wirtschaftliche Druck oder auch die Leere, die in allen anderen Lebensbereichen herrscht dazu, genauso weiterzumachen. Genau genommen gibt es Sabine und Bernd gar nicht mehr als Personen – sie sind mit ihrem Unternehmen verschmolzen. Sie sind das Unternehmen. Außerhalb des Unternehmens gibt es nicht mehr viel im Leben des Unternehmers. So werden Erfolge des Unternehmens zu privaten Erfolgen und unternehmerische Misserfolge führen dazu, dass der Unternehmer sich als Versager fühlt.


Was passiert, wenn das Unternehmen ins Trudeln gerät, wenn gar eine Insolvenz droht oder nicht mehr abzuwenden ist? Dann wird die Krise, die eigentlich nur einen Lebensbereich betrifft, den des Unternehmens, zu einer persönlichen Krise. Sicher wirkt sich eine Unternehmenskrise für einen Selbständigen oder einen Unternehmer immer auf andere Lebensbereiche wie die finanzielle Sicherheit aus. Doch wenn alle anderen Lebensbereiche dem Unternehmen zum Opfer gefallen sind, dann fehlt das Netz, das den Unternehmer in Krisen auffangen kann. Dann verliert er mit dem Unternehmen nicht nur einen Lebensbereich, sondern den letzten Bereich, der ihm geblieben ist. Und damit den Sinn des Lebens und den Grund zum Weiterleben.


Deswegen gibt es Unternehmer, die nach oder wegen einer Insolvenz Selbstmord begehen. Weil sie mit dem Scheitern des Unternehmens ihre Identität verlieren und das Scheitern der Firma als persönliches Scheitern definieren.


Soweit muss es nicht kommen! Es gibt viele Unternehmer, die ein erfolgreiches Unternehmen führen und trotzdem Zeit für Familie, Freunde, Sport, Gesundheit haben. Sie wissen, wie wichtig ein gesunder und leistungsfähiger Körper gerade in ihrer Position als Unternehmer ist. Sie sorgen regelmäßig für Pausen und Erholung und sind sich bewusst, welche Auswirkungen eine glückliche Partnerschaft und ein Freundeskreis, auf den ich mich verlassen kann, haben.


Eins ist sicher: Ganz egal, ob Sie ein erfolgreiches Unternehmen haben oder kurz vor einer Insolvenz stehen: Ihr Leben geht weiter und morgen wird die Sonne wieder aufgehen!


Wenn Du noch tiefer in das Thema mentale Gesundheit von Unternehmer:innen einsteigen möchtest, ließ doch gleich unseren Beitrag "Eigenverantwortung macht dich als Unternehmer und Mensch stark".

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