„Liebes Tagebuch,
am liebsten würde ich kündigen. Was bildet sich mein Chef eigentlich ein, wer er ist? Meint er, nur weil er mich bezahlt, kann er mich wie sein Eigentum behandeln und frei über meine Zeit verfügen? Es ist schließlich nicht meine Firma. Wenn er seine Zeit nur mit Arbeiten verbringt, dann kann er das ja machen. Er streicht am Ende mehr Geld ein als ich. Ich habe auch noch eine Familie, um die ich mich kümmern muss. Meine kleine Tochter ist gerade mal 2 – und wenn ich abends spät nach Hause komme, dann schläft sie immer schon. Und meine Frau ist nach dem Tag mit der Kleinen, ihrer Arbeit und dem Haushalt abends auch so geschafft, dass sie auf dem Sofa beim Fernsehen einschläft.
Heute – am Samstag! – da hat er mir eine Nachricht geschickt und um ein Gespräch wegen eines Geschirrwagens gebeten. Obwohl Wochenende ist und er genau weiß, dass ich frei habe. So wichtig kann doch ein Geschirrwagen nicht sein, dass ich dafür extra an meinem freien Samstag in die Firma kommen muss. Was denkt er denn, wer er ist? Außerdem bekommen wir heute Besuch, auf den wir uns schon so lange freuen. Immerhin habe ich ihm geschrieben, ob das unbedingt am Samstag sein muss und er hat das Gespräch dann auf Dienstag verschoben. Na also!
Eigentlich ist er ja ein ganz umgänglicher Mensch und ich arbeite gerne in der Firma. Mit den Kollegen haben wir ein gutes Betriebsklima und die Bezahlung ist auch ganz in Ordnung. Es könnte mehr sein, aber das könnte es ja immer. Die Arbeit macht Spaß. Nur manchmal, da denkt er, ich könnte seine Gedanken lesen. Da legt er mir eine Aufgabe auf den Tisch und mir fehlen Informationen. Ich weiß gar nicht, was ihm wichtig ist oder worauf es ihm dabei ankommt. Und wenn ich nachfrage, ist es mir schon passiert, dass er mich anfährt, warum ich das nicht weiß, ich arbeite doch schließlich schon lange genug bei ihm. Also frage ich dann lieber nicht nach und mache es halt so, wie ich denke. Manchmal bin ich mir da nicht sicher, ob es richtig ist. Doch inzwischen habe ich gelernt, dass es wohl richtig ist, wenn er nichts dazu sagt. Wenn es nicht passt, dann meckert er, darauf kann ich mich verlassen. Schön wäre es, wenn er mir öfter mal Rückmeldung gibt, wenn ich etwas gut mache. Oder fragt, wie es mir denn so geht.
Ich glaube, es geht ihm selbst nicht so gut. In der letzten Zeit wirkt er sehr angespannt und gleichzeitig sehr müde. Es hat wohl mit den Zahlen zu tun. Die Kollegin aus der Buchhaltung hat da neulich so eine Bemerkung gemacht….“
So oder so ähnlich klingt es vielleicht, was manch ein Arbeitnehmer in sein Tagebuch schreibt oder seiner Familie oder Freunden zuhause von der Arbeit erzählt. Deine Mitarbeiter sicher nicht? Herzlichen Glückwunsch! Dann machst Du vieles richtig und bist Dir bewusst,
…dass jeder Mensch anders ist. Wie langweilig wäre das Leben, wenn alle das Gleiche gut finden würden. Geh also nicht davon aus, dass Dein Mitarbeiter Gedanken lesen kann und die Welt so sieht wie Du. Er hat seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht, andere Dinge gelernt und hat einen Blick auf die Welt, der von Deinem abweicht. Davon kannst Du und Dein Unternehmen enorm profitieren, denn so hast Du neben Deiner Perspektive eine weitere, die diese ergänzt.
…dass Dein Mitarbeiter neben seinem Arbeitsplatz, mit dem er seinen Lebensunterhalt verdient, ein soziales Umfeld hat (und das solltest Du auch haben). Es kommt vor, dass das Umfeld hohe Anforderungen an Menschen stellt. Oder dass Dein Mitarbeiter ein Hobby hat, das er leidenschaftlich gerne ausübt. Er arbeitet zwar gerne bei Dir und die Arbeit macht ihm Spaß, doch will er auch Zeit für seine Familie und seine Hobbies haben.
…dass Dein Mitarbeiter ein Mensch ist wie Du und auch er Bedürfnisse hat. Manche versucht er sich in der Arbeit zu befriedigen. Du hast schon herausgefunden, welche Bedürfnisse ihm wichtig sind und gibst ihm die Möglichkeit, diese Bedürfnisse in Deinem Unternehmen zu stillen.
…dass Dein Mitarbeiter Dein Mitarbeiter ist und Du im Unterschied dazu der Eigentümer Deiner Firma bist. Dir ist bewusst, dass Du damit ein ganz anderes Interesse hast, Dich für Deine Firma zu engagieren, Dich einzubringen und Zeit zu investieren. Dein Mitarbeiter bekommt immer sein Gehalt, egal wie es der Firma gerade geht. Macht die Firma einen dicken Gewinn, dann hast Du in der Hand, wieviel davon bei Dir ankommt. Dein Mitarbeiter nicht.
…wo die Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters liegen und an welcher Stelle in Deinem Unternehmen er diese am besten ausspielen kann. Du bist Deinem Mitarbeiter dankbar für das, was er in die Firma einbringt und bist wirklich an dem Menschen interessiert, der mit Dir arbeitet. Du siehst vor allem das positive in ihm und gibst ihm regelmäßig Feedback zu seiner Leistung. Und Du förderst ihn in seiner Entwicklung, so dass er seine Fähigkeiten optimal für Dein Unternehmen einsetzen kann.
Wie Konrad Adenauer sagte: „Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.“
Zum Thema Menschen im Unternehmen lese auch den Artikel "Du bist Mensch, nicht Bestandteil Deines Unternehmens."
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